Fiat 508 Balilla



Das richtige Auto zur richtigen Zeit

1932. Johnny Weismüller flimmert als Tarzan über die Leinwände, die Welt tanzt Rumba, und in Italien sind 188.000 Autos (in Deutschland 486.000) auf den Straßen. In dieser Zeit, in der ein Arbeiter 450 Lire im Monat verdient, ein Liter Benzin 2 Lire und ein Kilo Brot 13 Lire kostet, kann sich nur jeder vierte Italiener den Luxus eines Automobils leisten.

Da präsentiert Fiat auf dem Mailänder Salon ein Auto, von dem niemand etwas wußte, das nur wenige erhofft hatten, und das viele brauchten: wirtschaftlich, nicht zu teuer, nicht zu groß und doch geräumig genug für die ganze Familie, der Fiat Balilla. Bis zum Salon war der neue Kleinwagen absolut geheimgehalten worden und nicht nur für den italienischen Markt eine Überraschung. Er war das richtige Auto zur richtigen Zeit.

10.800 Lire kostete "das Auto, das seinen großen Brüdern in nichts nachsteht, mit einer herrlichen Linie, komplett, attraktiv, elegant", wie die Zeitung "La Stampa" schrieb, und das Publikum war vom Konzept des Balilla auf Anhieb überzeugt. Trotz der nur 3,14 m kurzen Karosserie stand im Innenraum erstaunlich viel Platz zur Verfügung, der nicht allein durch den ungewöhnlich langen Radstand von 2,25 m erreicht wurde. Die gute Raumausnutzung wurde auch dadurch möglich, daß die Karosserie ohne vordere oder hintere Überhänge auskam, und die Räder unter den schön geschwungenen Kotflügeln genau an den Ecken saßen. Die Standardlimousine war zweitürig und hatte vier Sitzplätze.

Angetrieben wurde der kleine Fiat von einem Vierzylinder Reihenmotor, der aus 995 Kubikzentimeter Hubraum 15 KW (20 PS) holte und die Leistung über ein 3-Gang-Getriebe an die Hinterachse weitergab. 20 PS waren für damalige Zeiten ein guter Wert, der nicht zuletzt durch fortschrittliche Technik erreicht wurde: schräg gestellte Ventile ermöglichten eine intensive Gemisch-Verwirbelung im Brennraum. Bei einem Verdichtungsverhältnis von nur 5,8:1 waren der Leistungsausbeute allerdings Grenzen gesetzt. Trotzdem reichte es für muntere Beschleunigung und 85 km/h Höchstgeschwindigkeit, denn der Balilla wog nur 685 kg. Erstmals in einem Auto dieser Klasse sorgte eine hydraulische Bremsanlage für gute Verzögerung.

Der neue Kleinwagen wurde auf Anhieb ein Erfolg. Im Turiner Fiat Werk Lingotto laufen pro Tag über 250 Autos vom Band, und noch im Jahr 1932 konnten 12.000 Balilla verkauft werden. Weitere Versionen folgten: Bereits zum nächsten Mailänder Salon im Jahre 1933 wurden der Balilla Torpedo", ein offener Viertürer mit 34 PS, und der von Ghia entworfene zweisitzige offene Balilla "Spider Sport" vorgestellt, der mit 30 PS immerhin 110 km/h erreichte. Ein handliches und temperamentvolles Auto, das sich gut für den Sport eignen sollte und dem vor allem bei Bergrennen gute Chancen eingeräumt wurden.

Im gleichen Jahr folgen noch diverse andere Versionen des Balilla: der "Intermedia", technisch identisch mit der Limousine, aber mit 24 PS und 4 Gängen, sowie die viertürige Variante "Aerodynamica", eine viertürige Sportlimousine mit 34 PS. 1934 findet auch das sportliche Debut des Balilla statt: Nach einer intensiven Leistungskur bringt es der Balilla "Sport Spider" auf 36 PS und in der Klasse bis 1100 Kubikzentimeter erringen die kleinen Sportwagen bei der Mille Miglia 1934 den 3., 4. und 5. Platz, 1935 die Plätze 1, 2 und 3, und 1937 krönt ein weiterer Klassensieg in diesem bedeutenden Rennen das letzte Jahr des Balilla. 1933 wurde ein Balilla "Sport Spider" bei der"2000 km durch Deutschland" überlegener Klassensieger.

Viele Sporterfolge hatten den Balilla zum Volkshelden, große Stückzahlen zum Volksauto gemacht. Als die Produktion 1937 auslief, waren 113.145 Balilla verkauft. In Italien existieren erstaunlich viele noch heute. Im Registro Fiat Italiano" sind 814 funktionstüchtige Balilla aufgeführt, in Deutschland laufen 70 Jahre nach dem Produktionsbeginn des Balilla noch etwa 50 Exemplare des Autos, das ein Stück italienische Geschichte schrieb.